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Börsennotizbuch

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“Reflexive” Probleme an den Finanzmärkten

20. März, 2008 · 1 Kommentar

George Soros prägte den Begriff “Reflexivität” für die Finanzmarkttheorie und -verständnis (etwas mehr dazu The Theory of Reflexivity by George Soros).

Gewöhnlich wird die Preisfindung an der Börse so dargestellt: Der aktuelle Kurs wiedergibt die Erwartungen der Investoren für die zukünftige Entwicklung eines Wertes (eines Unternehmens). Änderungen in den Erwartungen resultieren in Änderungen beim Aktienpreis (und da die Erwartungen einen längeren Zeitraum betreffen sowie mit gewisser Unsicherheit behaftet sind, verursachen Änderungen hier (über Diskontierung) relativ heftige Schwankungen des aktuellen Preises).

Im Grunde genommen und vereinfacht, addiert die Reflexivität hinzu, dass die Änderungen des aktuellen Preises selbst Auswirkungen auf den Fundamentalwert des Unternehmens (Wertpapiers) haben, also wiederum eine Anpassung des Preises nach sich ziehen (sollen).

Dies funktioniert in beide Richtungen:

Ein stärkerer Kursrückgang bedeutet bereits konkrete (reale) Beeinträchtigung für ein Unternehmen (z.B. seiner Refinanzierungsmöglichkeiten) oder auch, wie in der aktuellen Krise, der (Mark-to-Market)-Werte seiner Assets (Beteiligungen etc.). Und umgekehrt.

Auch Änderungen bei der Liquidität können “reflexive” Wirkungen entfalten. Zum Teil war dies der Fall bei Bear Stearns. Auch wenn man die Aussagen des Unternehmens wenige Tage vor der Ãœbernahme anzweifeln soll (“sie seien liquide und alles sei ok”), haben alleine die Gerüchte von Problemen bei der Bank harte Tatsachen geschaffen bzw. die Illiquidität verursacht (oder zumindest: verschärft) haben.

Aktuell haben wir es wirklich mit einem “reflexiven” Problem an den Hypothekenmärkten zu tun — keine Hypothek sowie kein strukturiertes oder derivatives Produkt hiervon wird als sicher wahrgenommen. Das reduziert den Preis, lässt die Liquidität vertrocknen, was wiederum die fundamentale Bewertung der Wertpapiere reduziert…

Im Artikel Reflexivity Driving Risk and Reality (einige der oberen Gedanken sind von dort bzw. auch dort wiederzufinden), wird darauf hingewiesen, dass die Fed hier Einiges gegen solche sich verstärkende Prozesse unternehmen kann:

The Fed can manage this and it doesn’t come from today’s 0.75% rate cut. It comes from the Fed changing the perception in the financial markets. Fear is driving decisions from homebuyers to lenders to investors in equity and mortgage markets. The global appetite for leverage and risk has declined to 1970s recession levels. The Fed can start by bidding on the highest quality agency mortgages. They can intervene in the currency markets although today’s journal clearly speaks against it, intervention could change the perception that the dollar is dead. Bush could release a portion of the Strategic Petroleum Reserve to relieve the speculation in Crude. There is cash waiting to be invested as is evidenced by the Blackstone conference call last week and the sharp short covering rallies.

It is necessary for somebody to change the perception that nothing is safe to the perception that most Americans are paying their mortgages on time with plenty of cash leftover to eat at McDonald’s (MCD) as the comp sales suggested last week.

Die Realität, sagt man, ist Frage von Wahrnehmung. Auch an der Börse ist man fast philosophisch auf der Suche eines “wahren Wertes”, einer objektiven Realität. Doch diese gibt es so nicht. Selbst wenn man sich “nur” Gedanken über die Realität macht, verändert man sie bereits.

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt

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