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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Wie denn regulieren?

20. Mai, 2009 ·

Paragraphen

Regulierung ist “in”. Die Hauptursache für die Finanzkrise soll die mangelnde Regulierung sein. Viele Kommentatoren gehen noch weiter: Sie ist die Folge der Liberalisierung der Finanzmärkte. Und sogar die Folge der Globalisierung. Also soll jetzt wieder stärker reguliert werden…

Aber wie denn eigentlich? Und stimmt es überhaupt, dass die wenig regulierten Akteure die Krise ausgelöst und/oder verschärft haben?

Es ist wahr, die Finanzinstitute sind viel zu viel Risiko eingegangen und haben massiv Papiere erworben, die nur Bruchteile dessen Wert sind, was sie einst gekostet haben (bzw. was einst in der Bilanz stand). Die Aufsichten hätten solche Entwicklungen nie zulassen dürfen. Das ist aber einer der Punkte für “Gegenkritik” — Aufsichten gab es, sie haben aber versagt.

Gut, jetzt sollen neue Regeln aufgestellt werden, und ich bin überzeugt, dass sie in etlichen Fällen notwendig und sinnvoll sind. Aber auf die Wunderwirkung von “Mehr Regulierung!” will ich nicht setzen. Letztendlich stecken immer Menschen dahinter, und die nächste Bruchstelle des Systems wird eine neue sein, die nicht durch die Regeln abgedeckt ist, und die auch wieder übersehen und/oder fahrlässig ignoriert werden wird (hoffentlich natürlich nicht, aber ich halte es für sehr wahrscheinlich).

Die “Finanzgenies” werden womöglich in ein paar Jahren neue Formeln entwickeln, und ich bin mir nicht sicher, ob die Regulierer solchen quantitativen Konstruktionen rechtzeitig einen Riegel vorschieben werden (wollen). Wie wird man Finanzinnovationen regulieren? Wird man die finanzmathematischen Tücken immer erkennen können und – noch wichtiger – in einer Boom- und Gewinne-Phase, ihr Risiko beweisen und eine Begrenzung durchsetzen können?

Zweitens, scheint es, waren es gerade die Großbanken — also diejenige, die am ehesten reguliert und beaufsichtigt werden — die, die am kläglichsten versagt haben. Es gab hier und da auch Hedge Fonds, die Pleite gingen (wie die ersten Bear Stearns Hedge Fonds, die die Subprime-Krise “einläuteten” oder der Hedge Fonds Amaranth, der sich mit Gaspreis-Spekulationen (!) verhob), die gravierendsten Probleme haben wir jedoch mit den “etablierten”, “ehrwürdigen” Namen der Branche.

Und noch: Die Regulierung in Europa, im Speziellen in Deutschland, ist angeblich viel strenger als bei den Angel-Sachsen. Und doch: Die Probleme hier sind nicht weniger akut (nur etwas besser vertuscht). Man denke nicht nur an die Landesbanken…

Also hat Regulierung per se nicht viel gebracht. Eine bessere Regulierung — ja, aber nicht unbedingt bloß mehr Regulierung. Man soll nicht der Illusion verfallen, Regulierung löst automatisch Probleme. Für alle möglichen Regeln gibt es schlaue Anwälte und Financiers. Und nicht alle Regeln sind automatisch sinnvoll, auch wenn sie so klingen mögen. Hier gebe ich immer gern die Maastricht-Kriterien als Beispiel: Klingen sinnvoll und begrüßenswert, sind aber ziemlich willkürlich und eigentlich hält sich auch keiner dran (warum auch?)… Nutzen — fraglich.

Denn im Kern steht die Frage: Quis custodiet ipsos custodes? Wer reguliert die Regulierer? — wie Niall Ferguson in einem New York Times Artikel schreibt.

Niall Ferguson geht auch auf einen weiteren Punkt ein: Aus dem Mangel an Regulierung leiten viele eine scharfe Kritik an die Liberalisierung ab. Das ist nicht sehr fair. Die Liberalisierung in der gemeinten Form startete Anfang der 1980er. Seitdem hat sie uns auf einem recht ansehnlichen Wachstumspfad begleitet, wahrscheinlich hat sie diesen auch mit ermöglicht (gemeint vor allem: international). Dies wird jetzt schnell vergessen. Wenn wir heute die “liberalen” Finanzmärkte anprangern, müssen wir ihnen auch ein paar Plus-Punkte aus den vergangenen 30 Jahren gutschreiben.

Außerdem haben die “besser” regulierten 70er auch ihre Krisen und Rezessionen erlebt. Alleine durch De-Liberalisieren wird nicht viel gewonnen werden.

Und als Ergänzung:

Eine bessere Regulierung ist selten ein Mehr an Regulierung. In der Diskussion sind einige Vorschläge (Feststellungen) aufgetaucht, die — finde ich — in die richtige Richtung weisen:

“Too big to fail” ist “Too big to exist”: Man muss auf Dauer verhindern, dass Unternehmen (insbesondere Banken, weil eigene Spezifika) nicht dermaßen groß und “systemrelevant” werden — so dass man sie auch fallen und scheitern lassen kann. Leider laufen die Politiker momentan eher in die andere Richtung: Sie fördern Konsolidierung und schieben Fusionen an…

Einfaches Kappen des Leverage: Zum Beispiel wie bei den kanadischen Banken, die ein Leverage von 20:1 nicht überschreiten dürfen.

Sicherheiten fordern: Im Grunde ist dies der gleiche Punkt wie oben, jetzt aber bezogen auf (alle) Finanzmarkttransaktionen. Es ist ziemlich fahrlässig, Transaktionen und Marktinstrumente zuzulassen, bei denen keine Sicherheit hinterlegt werden muss, wie es zum Beispiel bei den CDS (Credit Deafault Swaps) der Fall ist. Führt man erhöhte Sicherheitspflicht, wird der Markt automatisch schrumpfen, und das “Ausfallrisiko der Ausfallrisikoversicherer” wird auch sinken…

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt

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