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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Muss das Inflationsziel auf ewig “unter 2 Prozent” sein

18. April, 2008 · 2 Kommentare

Die EZB hat ein “erklärtes Ziel” — die Inflation “unter, aber nahe zwei Prozent” zu halten.

Wie es mit vielen solchen makroökonomischen Kriterien der Fall ist: Sie werden einmal irgendwie bestimmt (ohne dass man ganz genau weiß, wo ein Optimum tatsächlich liegt, und ob es überhaupt ein exaktes und immer gültiges Optimum gibt), und dann hält man sich daran, wie am Buchstaben eines Gesetzes… (Ähnliches Beispiel für mich — die Maastricht-Kriterien).

In der aktuellen Krise verweist die EZB wie gewohnt auf ebendieses Inflationsziel, und gegeben aktueller Statistiken, die einen (deutlich) höheren Preisanstieg in der Euro-Zone ausweisen sowie unterschiedlicher Makro-Trends, die einen Inflationsdruck auch für die unmittelbare Zukunft nahelegen, sieht sich die europäische Notenbank mit gebundenen Händen: Sie kann die Zinsen nicht senken.

Vor dem Hintergrund einer tiefen Bankenkrise und rezessiver Tendenz in den USA (um es milde auszudrücken und meine Wette nicht bereits aufzugeben) ist aber eine Zinssenkung (und sei es nur “präventiv”) wohl angebracht. Doch – am Inflationszziel ist nicht zu rütteln. Unter 2 Prozent Inflation muss sein. Aber warum? Ist dies jetzt, in der aktuellen Situation, ein adäquates Inflationsziel?

(Analog zum 3%-Maastricht-Kriterium für die Neuverschuldung, das in Zeiten eines Abschwungs die antizyklische Wirtschaftspolitik gerade abwürgt).


Robert von Heusinger fragt auch:

Aber kann man mit Zinserhöhungen oder einer zu restriktiven Geldpolitik und deshalb aufwertenden Währung gegen die Rohstoffpreiserhöhungen ankämpfen? Wie schaut denn der Transmissionsmechanismus aus? Fragen, die wir in den nächsten Wochen Trichet und den anderen Zentralbankratsmitgliedern stellen müssen. Meine Antwort: Beim Ölpreis könnte eine Rezession in Euroland, ausgelöst durch eine zu restriktive Geldpolitik der EZB, Erfolge zeitigen. Wenn Amerika und Euroland gleichzeitig schrumpfen, müsste der Ölpreis abstürzen. Aber die Preise für Weizen, Reis, Fleisch und Milch? Arbeitslose Menschen müssen zumindest essen. Hier kann die Geldpolitik nichts, aber auch gar nichts ausrichten.

Und er schlägt vor: “Die EZB muss sich ein modernes Inflationsziel geben: 2,5 Prozent plus/minus einem Prozentpunkt. Besser heute als morgen”.

Ich denke – das ist korrekt. Bestimmte Makro-Trends kann die EZB durch ihre Geldpolitik kaum beeinflussen. Sie verursachen Inflationsdruck, ohne dass die Wirtschaft (im Euro-Raum) am oder über Potenzial operiert. Ist nicht gerade das der Sinn der Steuerung — die Wirtschaft auf den optimalen Weg zu leiten? Und ist dies bei 2 Prozent unbedingt der Fall?

Etwas mehr Flexibilität könnte sicher nicht schaden — keiner spricht hier vom Zulassen einer hohen Inflation. Aber, wenn der substanzielle Inflationsdruck durch globale Faktoren wie Rohstoffpreise zustande kommt (zumal Preise für Agrar-Produkte), sollte man doch ein Prozentchen mehr zulassen können. Und somit die Wirtschaft bei einem höheren Auslastungs- und Beschäftigungsgrad halten. Denn dieser schöpft – so, glaube ich, viele Analysen – auch jetzt nicht das Potenzial aus.

Kategorien: Frontpage · Inflation · Zinsen

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2 Kommentare bis jetzt ↓

  • Saviano // 18. Apr, 2008

    Noch einmal das Argument kurz umrissen:

    Suppose oil production in a large Saudi Arabia oil field halted tomorrow. Oil just ran out unexpectedly and oil surged to $300. Would the correct response be to hike interest rates to combat inflation?

    The idea of course is preposterous. Every central bank in the world would be rapidly cutting rates because economic activity would drop off a cliff. Instead of shutting down that oil field overnight, imagine it shuts down over time. Just like is happening. Oil prices rise. Is the response from central bankers supposed to be to keep hiking?

    Why Do Oil Prices Keep Rising?

  • Im Fokus: Die Inflation • Börsennotizbuch // 1. Jul, 2008

    [...] Mit 4 Prozent liegt die Inflation (schon lange) eindeutig zu hoch für die EZB, die am Donnerstag voraussichtlich mit einer Zinserhöhung reagieren wird (erwartet werden 25 BP auf 4,25%). 4 Prozent sind ja glatt das Doppelte der anvisierten Teuerungsrate von “nahe, aber unter 2 Prozent” — der erwartete Schritt der EZB kann also nachvollzogen werden (obwohl wir damit eine schärfere Konjunkturabkühlung riskieren — vgl. Kritik zum Inflationsziel der EZB). [...]

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