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Keine Chance für “Bürgerjournalismus”

16. April, 2010 · 3 Kommentare

Internet, Medien, Blogs
“Was wir über die Welt in der wir leben wissen, wissen wir aus den Massenmedien” — keine Chance für den “Bürgerjournalismus”, urteilt Thomas Strobl (weissgarnix).

Das meiste in seinem Artikel kann ich nur unterschreiben — die Massenmedien werden auch in Zukunft die entscheidende Instanz und Produzent von Nachrichten bleiben. Die Bemerkung ist wichtig: Produzent. Denn es ist in der Tat nicht so, dass die Medien bloß Mittler sind zwischen einer “Welt da draußen” und dem “neugierigen Leser” (bzw. Zuschauer, Zuhörer).

Die Debatte, die in “Foren, Blogs und Tweets” weitergeht, ist — so gesehen — nur eine Fortführung der Themen, die durch die Großen der Branche in die Welt gesetzt wurden. Man kann diese bunte Landschaft sehr wohl als Bereicherung ansehen (was ich tue), aber vielleicht eben nicht als die große Revolution, die die Funktionsweise des Medienbusiness grundlegend ändern wird.

Es gibt trotzdem einen wesentlichen Punkt:

Dass die Massenmedien die entscheidende Instanz sind, wenn es um die breite Öffentlichkeit geht, ist eigentlich eine Tautologie, denn man muss schließlich die Massen erreichen. Aber wenn es um kleinere Interessengruppen geht, verschieben sich die Kräfteverhältnisse zum Teil dramatisch. Oder wenn es darum geht, wer in Zukunft Massenrelevanz haben wird, sind viele “klassische” Barrieren durch die neuen digitalen Möglichkeiten gefallen.

Man denke etwa an die US-Medienlandschaft: Selbstverständlich sind die Flagschiffe wie die New York Times oder Washington Post keinesfalls versunken. Sie werden vielmehr auf unabsehbare Zeit die wichtigsten Instanzen bleiben. Aber so mancher Blog hat — meist noch in seiner Nische — eine bereits so hohe Reichweite, dass er sich quasi Massenmedium nennen kann. Zumindest verglichen mit der entsprechenden Sparte bei den “klassischen” Großen.

Das ist also noch möglich. Ich wiederhole mich: um Massenmedium zu spielen, muss man auch die entsprechende Reichweite haben. Es geht schlicht um Quantität. Man merkt aber, dass in diesem Prozess die “Neuen” grundsätzlich auf die bewährten Strukturen und Methoden zurückgreifen: Redaktion, Qualitätskontrolle, Marke, Marketingteam …. Mit einem Wort, wieder wenig Revolutionäres, und von einer neuen Funktionsweise des Medienbusiness ist nicht viel zu spüren.

Was die Probleme der Medien betrifft, kann ich Strobl zustimmen:

Die Branche leidet an den gleichen Problemen wie so viele andere — Ãœberkapazitäten und Kostendruck. Und an einer intensiveren Konkurrenz:

Hier spielen einerseits die erwähnten niedrigen Eintrittsbarrieren eine Rolle, andererseits ist eine gewisse “Abkopplung” von ehemals sehr profitablen Teilen der “journalistischen” Produktion festzustellen — von eben diesen, die streng genommen am wenigsten mit Journalismus zu tun hatten: Kleinanzeigen, Immobilien- und Autoanzeigen, Jobvermittlung, ja auch Partnervermittlung … Die meisten dieser Angebote werden jetzt über das Internet von anderen Firmen bedient (soweit sie nicht wieder von den Verlagen u.U. für teures Geld “zurück” gekauft worden sind). Die Aktienkurse checkt man nicht mehr in der FAZ und nach einem neuen Job im Hamburger Raum sucht man nicht mehr so oft im Abendblatt…

Die Konkurrenz ist nicht nur auf das Produkt “Nachricht” zu reduzieren. In den vielen Beiträgen zum Stand und Zukunft der Medien wird dieser Punkt meist vernachlässigt. Man konzentriert sich auf den redaktionellen Teil. Das Internet hat aber meiner Meinung nach ganz woanders zugeschlagen …

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt · Wirtschaftsblogs

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3 Kommentare bis jetzt ↓

  • egghat // 16. Apr, 2010

    Zugeschlagen ist das richtige Wort. Die Medien kranken nämlich daran, dass sie ihren Journalismus nicht mehr über Anzeigen refinanzieren können. Und das ist bereits 2000 passiert, als sich die Autoscouts, Immobilienscouts, Jobscouts, etc. gegründet haben. Wenn die heute über Google schimpfen, immer als Antwort darauf hinweisen.
    Das zweite, was die Verlage umbringt, ist dass das Konzept der Zielgruppe nicht mehr funktioniert. Wenn ich früher Segler oder Mac-User oder Frauen haben wollte, musste ich die passende Zeitschrift kaufen. Heute kennt Doubleclick/Google die Leute. Wer oft auf Segelsites ist, dem kann ich auch bei Facebook passende Anzeigen einblenden. Ein Angebot wie Google oder Facebook, das früher ähnlich schlecht zu vermarkten gewesen wäre wie die Bild (weil keine spezielle Zielgruppe und damit pro Kopf niedrige Einnahmen), ist heute gut zu vermarkten. Das ist extrem schwierig für alle, die bisher über die Definition eine Zielgruppe hohe Preise nehmen konnten. Die Preisunterschiede werden massiv schrumpfen.

    Ãœber diese finanzielle Seite reden die Medien selten bis nie. Die Umbrüche dort sind so dramatisch, dass ich nicht einmal eine vernünftige Lösung sehe. Außer eine richtig üble Marktbereinigung …

  • Olaf // 16. Apr, 2010

    Andererseits “recherchieren” die Redakteure der Massenmedien immer öfter per Google, Facebook, Twitter, Youtube und Co (Iran, Haiti, Vulkanausbrüche, usw.). In der Computerzeitschrift c’t erschien vor einigen Wochen ein Artikel, in dem der Autor prognostizierte, dass durch die “Sozialisierung” des Netzes letztendlich die Massenmedien durch die “Medienmassen” ersetzt werden, d.h. jeder folgt den Feeds (Beiträge, Links, etc.) derjenigen, die für ihn interessante Themen enthalten. Die bisherigen Massenmedien hätten dabei dann die Rolle, die bereits bekannten News detaillierter und tiefgründiger heraus zu arbeiten.

  • Holger // 17. Apr, 2010

    Ich stimme dem Artikel zu: Die Produktion von Nachrichten ist ohne Redaktionen mit entsprechenden Ressourcen nicht wirklich zu schaffen. Nur braucht es eben dank der Weiterentwicklung der Kommunikationstechnologie heute sicher keine 130 Zeitungen mehr in Deutschland (130 Vollredaktionen gibt es natürlich schon jetzt nicht mehr, aber vor dem von Egghat genannten Jahr 2000 war das ungefähr die Zahl). Diese hohe Zahl hatte ja auch früher schon nicht unbedingt was mit publizistischer Vielfalt zu tun – eher mit geografischer.

    Jedenfalls: Ich denke auch, dass es auf eine extreme Marktbereinigung hinausläuft. Wie sich aber beispielsweise vernünftiger Lokaljournalismus künftig finanzieren soll – keine Ahnung. Ãœber hohe Reichweiten wird es ja kaum gehen.

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