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Die Dax-Indexberechnung: Rechnerische Verzerrung durch den starken Anstieg der VW-Aktie

28. Oktober, 2008 · 1 Kommentar

Zunächst natürlich — die Indexberechnung des wichtigsten deutschen Aktienindex (DAX) ist nach wie vor rechnerisch korrekt. Die Deutsche Börse hält sich wie immer an die eigenen Kriterien und Berechnungsmethoden.

Das Pikante an der Sache ist jedoch, dass diese grundsätzlich nicht für solche exorbitante Kursschwankungen ausgelegt sind (verständlicherweise für einen Blue-Chips-Index). Als Resultat haben die Kurssprünge der VW-Aktie in den letzten Tagen (von 200% und mehr) eine substanzielle Verzerrung des Index-Wertes ausgelöst (übrigens, durch die Kurssprünge wurde VW heute kurzfristig zum teuersten bzw. größten Unternehmen der Welt).

Ohne VW hätte der Dax gestern ca. 9% verloren (statt 0,9% Plus). Heute würde er auch deutlich unter den ca. +10% liegen, ungefähr bei +2,5% (gegen Mittag, 13:30).

Dies sind, wie man sofort sieht, für den großen Blue-Chips-Index Dax gewaltige Unterschiede. Sie kommen zustande, einerseits, durch die außergewöhnlichen Kurssteigerungen der VW-Aktie, aber auch, zweitens, durch die sich täglich ändernde Gewichtung der einzelnen Werte innerhalb des Index.

Und hier wird es etwas tricky… Auf jeden Fall betrug die VW-Indexgewichtung gestern 6,82%, heute schon ganze 16,67%! Dabei ist das Gewicht eines einzelnen Wertes im Dax eigentlich bei 10% gekappt. Nur diese Kappung wird erst bei der nächsten Index-Anpassung berücksichtigt.

Also, da der DAX nach Marktkapitalisierung (eigentlich nach Free Float) gewichtet ist, ändert sich die Gewichtung der einzelnen Werte bei der täglichen Neuberechnung des DAX. Die Anzahl der Aktien und der Streubesitz (Free Float) werden allerdings nur vierteljährlich aktualisiert.

So marschiert die VW-Aktie nicht nur kurstechnisch kräftig nach oben, sie steigert auch rapide ihre Dax-Gewichtung.

Und das gibt jetzt Anlass zum Ärger — wie z.B. bei egghat. Er sieht den Dax zu einem unglaubwürdigen, nicht ernstzunehmenden “VW-Index” mutieren. Und die Deutsche Börse schaut dem untätig zu (DAX verfällt zur Lachnummer).

Ich bleibe hier neutral. Eine Extremsituation verzerrt den Indexwert — das ist prinzipiell nicht “sauber”. Allerdings, wenn man sich immer zu schnell und flexibel mit Anpassungen zeigt, ist es auf Dauer für einen Börsenindex auch nicht gerade förderlich, da hier Kontinuität naturgemäß sehr wichtig ist.

Und zum Schluss: Die aktuellen Gewichtungen kann man sich von der Webseite der Deutschen Börse herunterladen: Gewichtungen und Kennzahlen.

Nachtrag:

Ein wichtiger Zusammenhang (neben den Leerverkäufen, die häufig zitiert wurden): All jene Vermögensverwalter (inkl. Fonds) und Zertifikate-Anbieter, die den Dax abbilden müssen, sind jetzt gezwungen VW-Aktien zu erwerben. Die Letzteren sind jedoch äußerst knapp geworden:

Total hat Porsche nun 74,1 Prozent des VW-Konzerns unter Kontrolle. Weil aber auch das Land Niedersachsen gut 20 Prozent der Anteile besitzt, ist nur noch ein sehr kleiner Anteil von gut fünf Prozent überhaupt noch am Markt verfügbar. Und um diesen letzten Rest verfügbarer Aktien kämpfen nun gleich mehrere Parteien. Vorne weg all jene Marktteilnehmer, welche die Aktien haben müssen, um den DAX abzubilden.

Den DAX abbilden müssen all jene Vermögensverwalter, welche den DAX als Benchmark mit ihren Kunden vereinbart haben. Dazu kommen auch noch Indexzertifikate und viele mehr. Je stärker nun die VW-Aktie steigt, desto grösser wird ihr Anteil am DAX. Wer zuvor zu wenig VW-Aktien im Depot hatte, wird nun zu Käufen gezwungen.

Zeitenwende.ch, VW aus Rand und Band

Zeitenwende.ch äußert sich auch sehr kritisch bezüglich der Untätigkeit der Deutschen Börse in Sachen Indexgewichtung von VW…

Nachtrag 2:

Wenn ich etwas darüber nachdenke und mir Sachen vor Augen führe wie die wahnwitzige Marktkapitalisierung von VW (die sich rechnerisch auf Basis eines knappen Streubesitzes ergibt), sehe ich die Ereignisse nun etwas kritischer. Zum Thema äußert sich auch Klaus Kaldemorgen und beschreibt einige der (sehr) unerwünschten Nebenwirkungen der VW-Porsche-Connection.

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt

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