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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Kostolany zur Charttechnik

22. August, 2007 · 4 Kommentare

André Kostolany ist für seine – ganz milde gesagt – Skepsis gegenüber den Charttechnikern (bzw. der sog. technischen Analyse) bekannt. Von ihm stammt der Satz: “Chartlesen ist eine Wissenschaft, die vergebens sucht, was Wissen schafft”.

In seinen Büchern beschreibt er ganz andere Einflussgrößen und Faktoren, die man zum erfolgreichen Spekulieren beachten soll. In vielen Fällen trifft er (und hat natürlich auch geformt) meine eigenen Ansichten über die Börse, so dass ich hier im Blog häufig genau solche Faktoren in den Fokus stelle, mit ihnen argumentiere und zu evaluieren versuche. Den regelmäßigen Lesern werden sie bekannt sein – z.B. Liquidität, Zinsen, Psychologie, Konjunktur- und Börsenzyklus, Währungen etc.

Trotzdem gibt Kostolany zu, dass er sich Charts nicht nur gern anschaut, sondern auch, dass er hier und da einen durchaus praktischen Nutzen im Chartlesen sieht, und dass ihm einige Chartregeln oft geholfen haben.

Speziell hebt Kostolany zwei Chartregeln besonders hervor – dies sind zugleich die wahrscheinlich ältesten Formationen.

Im ersten Fall ist es die relative Entwicklung einer Aktie zum entsprechenden Index (auch bzw. insbesondere zum Branchen-Index), nicht zu verwechseln mit dem Konzept der Relative Strength Index (RSI), das – grob gesagt – aus den Bewegungen der Aktie selbst ihre (technische) “Stärke” abzuleiten versucht.

Im zweiten Fall sind es die so genannten “Doppelaufstiegs-” und “Doppelrückschlagsregeln”, sowie die “M”- und “W”-Regeln.

Dabei unterstreicht Kostolany, dass er sich ausschließlich für den Chart einer einzelnen Aktie, höchstens einer Branche interessiert: genau wie sich ein Arzt die Fieberkurve eines jeden Patienten einzeln und nicht die Durchschnittskurve der ganzen Klinik anschaut , um Kostolanys Worte zu benutzen.

Was besagen nun die oberen Chartregeln? Ich zitiere kurz aus dem Buch “Geld und Börse”:

Zeigt der Chart einer Aktie eine steigende Tendenz, obwohl der Indexchart fallend ist, ist dies ein besonders gutes Zeichen, die Insider akkumulieren nämlich die Aktie. Im umgekehrten Falle (fallender Chart bei steigendem Index) könnte ich daraus entnehmen, dass sich die Insider dieser Aktie entledigen wollen.

Soviel und so einfach verhält es sich im ersten Fall. Das ist auch nicht wirklich Chart-Analyse, aber doch ein technischer Indikator. Am Chart selbst werden gewisse Signale beim zweiten Fall abgelesen. Ich zitiere noch einmal:

Doppelaufstieg bedeutet, dass bei steigenden Kursen der letzte Höchstkurs [wohl für eine bestimmte Periode] immer wieder durch den folgenden überschritten wird. Wenn sich dieses Phänomen einige Male wiederholt, läßt dies eventuell auf eine weitere Aufwärtsbewegung schließen. Wenn aber der Chart einige Male die Form eines M zeigt, dann bedeutet dies einen Plafond, das heißt einen Hochkurs, den man nicht mehr durchstoßen kann.

Charttechnische Regeln nach Kostolany

Die Ursachen hierfür können ganz unterschiedlicher Natur sein, z.B. eine große Menge an Aktien, die aus einem bestimmten Grund am oder in der Nähe dieses Hochkurses veräußert werden sollen (ein Großinvestor bereinigt seine Beteiligungen). Die Theorie funktioniert auf die gleiche Weise bei fallenden Kursen (dann kommt es zu der “W”-Formation).

Kostolany interpretiert die Signale dieser Chart-Formationen vor allem durch den Einfluss eines “größeren Quantums” Aktien, die zum Verkauf stehen bzw. eines “größeren Quantums” Geld, das Einstieg sucht oder für Kurspflege bereitsteht. Beides, so zu sagen, als Insider-Entscheidungen. Hier ist es auch ersichtlich, warum er sich ausschließlich für einzelne Papiere “charttechnisch” interessiert.

Die Charts können also interessante Symptome liefern, die ein Börsianer interpretieren kann. Die “einfacheren” Chart-Formationen und Regeln können aus der Erfahrung heraus auf bestimmte praktische Verhältnisse im Markt hindeuten. Werden sie aber zu “kompliziert”, zu “mathematisch” und “statistisch”, sind sie wohl nicht mehr mit Kostolanys Börsenwissen vereinbar. Der Chart bleibt für ihn lediglich Hilfsmittel. Im Gegensatz zu den Börsianern, die ihn zum zentralen Instrument ihrer Spekulationen machen. Für sie hat Kosto doch recht harte Worte gewählt, denen der eine oder andere sicherlich widersprechen wird:

Doch sind für die meisten Chartgucker die Kurven nicht nur ein Hilfsmittel, sondern sie sind von ihrem System genauso besessen wie Roulettespieler, die mit Computern arbeiten. In vielen Kasinos gibt es Spielsyndikate. Der eine setzt die Zahlen, die der zweite mit dem Computer ausgerechnet hat, und der dritte löuft mit den Berechnungen dauernd zwischen ihnen hin und her. So arbeiten sie stundenlang … Man soll nicht fragen, wie es endet. Am Abend sind sie noch aufgeblasen, ihres Glückes sicher, und glauben, “die” mathematische Formel gefunden zu haben. Um drei Uhr früh betteln sie um einige Mark, damit sie das unfehlbare System von neuem anfangen können. Und so geht es den meisten Chartisten.

Das Buch oben ist mit amazon.de verlinkt. Ich kann es wirklich empfehlen.

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4 Kommentare bis jetzt ↓

  • Pierre Daeubner // 31. Aug, 2007

    Guter Artikel, habe ich gleich bei mir im Blog drauf verlinkt ;=)

    Happy Trading,
    Pierre

  • P4T2 // 31. Aug, 2007

    Ist wirklich ein guter Artikel.
    Es gibt Trader die nur aufgrund der TA ihre entscheidung fällen und welche die nur fundamentals nutzen.
    Jeder muss selbst entscheiden was für ihn “passt”.

    MfG P4T2

  • Gewinner-Aktien in schwierigen Zeiten • Börsennotizbuch // 11. Sep, 2007

    [...] Wie ich im Beitrag “Kostolany zur Charttechnik” zitiert habe, orientierte sich der bekannte Börsianer auch an einige technische Kriterien. Eines davon – die Entwicklung bestimmter Aktien relativ zum Index: Zeigt der Chart einer Aktie eine steigende Tendenz, obwohl der Indexchart fallend ist, ist dies ein besonders gutes Zeichen, die Insider akkumulieren nämlich die Aktie. Im umgekehrten Falle (fallender Chart bei steigendem Index) könnte ich daraus entnehmen, dass sich die Insider dieser Aktie entledigen wollen. [...]

  • Schaute sich Kostolany Charts an? • Börsennotizbuch // 13. Okt, 2009

    [...] Kostolany machte sich eigentlich nichts aus Charttechnik, aber ein paar Chart-Formationen hat er auch beachtet. [...]

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