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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Das mieseste wäre unkorrekte Bilanzierung

6. Juni, 2007 · 1 Kommentar

Ich und der Kollege von Trader’s Quest sprachen die Bild-Zeitung an. Die (jüngen) Börsianer haben ja eine ziemliche Angst vor großmundigen Veröffentlichungen, besonders wenn der Dax wichtige Marken und Höchstkurse erreicht (bzw. annähert). Aber sieh da, in den Medien ist eine vielleicht doch andere Stimmung zu spüren:

Eine Spekulationsblase wird ausgemacht, wie Robert von Heusinger in der Zeit mit warnender Stimme die jüngsten Entwicklungen an den Börsen analysiert. Und das tut er nicht schlecht, nicht dass wir uns missverstehen. Welche Argumente führt er an?

  • Sentiment. Die Börsen seien in einen wahren Rausch geraten, die negativen Nachrichten ausgeblendet, die positiven (etwa die schwindende Rezessionsgefahr in den USA) überschwänglich gefeiert. Nun, wirklich bedeutendes Jubel kann ich zwar nicht feststellen, aber das ist feine Geschmackssache. Vielleicht irre ich. Schauen wir uns die “härteren” Fundamentaldaten an…
  • Das KGV sei nicht mehr günstig. Hierzu folgendes: im historischen Vergleich ist der aktuelle Wert von knapp 14 (Basis Gewinnschätzungen für 2007), zwar nicht übertrieben hoch, ABER die Rekordmargen der Firmen seien nicht lange zu halten, eine entgegengesetzte Pendel-Bewegung sei zu erwarten, die den Dax dann ziemlich teuer machen würde.
  • Weiterhin: die steigenden Zinsen.
  • Und noch: die neuen Bilanzierungsregeln (insbesondere bezüglich Abschreibungen), die tendenziell höhere Gewinne ausweisen (das KGV sollte dann auf ca. 15,5 gerechnet werden, um historisch vergleichbar zu sein).
  • Und schließlich: die Quellen, die die ganze Party mit Liquidität versorgen, könnten versiegen. Hier vor allem die Währungs-Carry-Trades zwischen Yen, Dollar, etc. mitunter auch dem Schweizer Franken.

Das mieseste wäre eine unkorrekte Bilanzierung. Dagegen kann man sich kaum wehren. Sie wissen schon – Enron, Fälschungsskandale, die ausgewiesenen Gewinne sind auf einmal Verluste etc. In einer Phase der Hochkonjunktur und Rekordmargen ist es fast eine “Spekulanten-Pflicht” gewisse Unsauberkeiten zu antizipieren. Von den Sachen, die wir relativ verlässlich beobachten können, sind in meinen Augen die steigenden Zinsen die größte Gefahr. An ihnen hängt auch die Aktien-Bewertung und wahrscheinlich zu einem gewissen Teil die Carry-Trades-Finanzierung.

Ich will noch Robert von Heusinger aus dem oberen Artikel zitieren:

Die glücklichen Anleger, die in Aktien investiert haben, sollten sich fragen, ob die angeschwollene Aktienquote noch mit ihrer Risikoneigung in Einklang steht. Tut sie das nicht, lohnt es sich, einen Teil der Gewinne zu realisieren und das Kapital in Anleihen umzuschichten. Die unglücklichen Anleger, die die Hausse verpasst haben, müssen sich entweder in Geduld üben, bis sich die Übertreibungen abgebaut haben. Oder sie müssen rasch handeln, in der Hoffnung, dass es genug Dumme gibt, die selbst bei einem Dax von 8.500 oder 10.000 Punkten noch freudig einsteigen.

Man merkt den “Zweikampf” – die Investierten, die Aktienbesitzer gegen die Nicht-Investierten, die Geld-Besitzer. Ich glaube, die ersten haben noch die stärkere Postion: Die Liquiditätssituation ist weiterhin günstig; es gibt keinen substanziellen materiellen Druck auf sie.

Die Geld-Besitzer sind dagegen in etwas ungünstigerer Lage: die absoluten Zinsen sind niedrig, im Vergleich zu den Aktienrenditen, ganz zu schweigen zu den Kurssteigerungen, sogar viel zu niedrig. Zudem droht eine leicht unterschätzte Inflation zusätzlich von der realen Rendite zu zehren. Sie scheinen also langsam in die (erwarteten) Anlagenot bzw. Entscheidungsnot zu geraten (oder , anders gesehen, war dies ein erwarteter schleichender Prozess; zuletzt “verschwanden” auch die Immobilien als Alternative). Vielleicht trennen sie sich deswegen von ihren Anleihen und vielleicht bringen sie das Geld an die Aktienbörsen, wo sie auf das ziemlich rigide Angebot an Papieren stoßen. Denn die Aktionäre (ich meine jetzt nicht an den explodierten Exoten-Börsen) eilen nicht zu verkaufen. Warum auch? Sie können es sich noch leisten, auf ihrer stärkeren Position zu verharren… bis die Zinsen diese untergraben, wie es langsam zu passieren scheint.

Ich glaube, dieses relative Kräfteverhältnis spielt sogar eine größere Rolle, als sämtliche KGVs.

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt

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