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Zwei Arten von Vermögenspreisblasen

11. November, 2009 ·

Baloons

Mit dem Hinweis auf den Artikel vom Ex-Notenbanker Frederic MishkinNot all bubbles present a risk to the economy” kommen wir auf eine alte Debatte zurück: Wie gefährlich sind Vermögenspreisblasen und wie sollen die Zentralbanken auf sie reagieren.

Frederic Mishkin unterscheidet zwei Arten von Blasen: Auf der einen Seite die “credit boom bubble” und auf der anderen die “pure irrational exuberance bubble”.

Die Erstere, die Credit Boom Bubble, ist durch ein “positives Loop” (Rückkopplung) zwischen steigenden Assetpreisen und Kreditierung gekennzeichnet. D.h. der Anstieg bestimmter Werte fördert kreditfinanzierte Investitionen in diese gleichen Werte. Dabei werden die (internen) Standards zur Kreditvergabe im Laufe des Kreditbooms normalerweise immer laxer sowie die Hebel auf das eingesetzte Kapital (im Grunde eigentlich das Gleiche: Fremdfinanzierung) immer höher. So dreht sich eine sich verstärkende Spirale von Krediten und Assetpreisen immer weiter hinauf. Bis es nicht mehr weitergeht, und der entgegengesetzte Prozess eintritt: Fallende Assetpreise und De-Leveraging.

In der aktuellen Krise haben wir es mit dieser Sorte von Blasen zu tun. Sie ist auch die gefährlichere.

Der andere Typus, die Pure Irrational Exuberance Bubble, ist hauptsächlich auf überzogenen Erwartungen aufgebaut, hat aber nicht (im gleichen Masse) die fatale Kredit-Rückkopplung entwickelt. Als Beispiel dafür nennt Mishkin die Technologie-Blase an den Aktienmärkten in den späten 90er. Die Kurse stiegen dramatisch aufgrund euphorischer Stimmung, fantasievollen Geschäftsaussichten und natürlich purer Gier, doch das Ganze wurde in einem viel geringeren Umfang durch Fremdkapital gehebelt.

An dieser Stelle muss man sicherlich anmerken, dass die beiden Blasen-Typen wahrscheinlich gar nicht so trennscharf unterschieden werden können. Man muss sich in die konkreten Zahlen hineinbohren, aber auch die Aktienblase der 90er wurde bestimmt durch einen großen Fremdkapitalanteil angetrieben. Außerdem, man erinnert sich, haben die Unternehmen damals massiv eigene (überteuerte) Aktien für Ãœbernahmen und Fusionen benutzt, quasi als eigene Währung — ein Prozess, der der Kreditierung ähnelt. Es wird letztendlich eine Frage des Grades sein; die grundsätzlichen Gedanken erscheinen jedoch ganz legitim.

Etwas Anderes ist mir in diesem Rahmen auch wichtig: Die aktuelle Krise hat vor allem so gravierende Auswirkungen gehabt, weil sie direkt den Kern des Finanzsystems angegriffen hat. Bei der Dot-Com-Blase war dies, wie Mishkin hervorhebt, zum Beispiel nicht der Fall. Es stimmt, dass es zum nahezu tödlichen Stoß aufgrund der massiven Fremdfinanzierung (und positiver Rückkopplung) kam, es stimmt, dass auf diese Weise die fraglichen Summen erst richtig in ungeahnte Höhen wachsen konnten, aber in erster Linie sind die faulen Papiere bei den Finanzinstituten selbst geblieben und sie deswegen in Schieflage (praktisch in die Insolvenz) brachten.

Die “großartigen” Innovationen, die die strukturierten, verpackten und verbrieften Hypothekenprodukte eigentlich aus den Bankenbilanzen halten sollten, haben genau das nicht so prima hingekriegt. Die Bilanzen waren voll mit dem Zeug. So viele Tech-Aktien haben die Banken (und die deutschen Versicherer) wahrscheinlich nie besessen. Damals konzentrierten sich die Banker auf die Emissionstätigkeit (und Zocken in den Tradingabteilungen), aber derart riesige Aktienpositionen wurden nicht aufgebaut (korrigieren Sie mich bitte, wenn ich irre).

Mit einem Wort: Die Banken haben die faulen Papiere nicht verkauft bzw. nicht verkaufen können (d.g. sehr viel davon). Sie sind mit dem sprichwörtlichen “brennenden Streichholz” in der Hand als Letzte geblieben, und es war keiner da, der es übernehmen wollte. Nun ja, bis auf den Staat. (So wurden wir durch politische Entscheidung (Zwang) dazu gebracht, das Streichholz doch in die Finger zu nehmen).

Die Unterscheidung Mishkins macht schon Sinn, vor allem weil die Banken “von Natur aus” viel mit Kredit (insbesondere in Boomphasen) spielen. Aber wären die Unterschiede gravierend, hätten sich die Institute auf “einfache” Weise insolvenzreif verspekuliert? Wahrscheinlich nicht.

Und noch die Schlussfolgerung von Frederic Mishkin: Die Geldpolitik sollte noch nicht restriktiver werden, denn wir haben im Moment nach wie vor Probleme mit dem De-Leveraging, d.h. mit dem Gegenteil der kreditfinanzierten Blasenbildung zu tun. (Nouriel Roubini sieht das freilich etwas anders).

Wenn Sie bis hier gelesen haben, könnte Sie auch dieser Artikel interessieren: Vermögenspreisblasen und die Verantwortung der Notenbanker.

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