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Supermacht China: Ein autoritärer Hegemon?

14. Januar, 2010 ·

“China is the only country in the world where anything less than 8% growth year after year is believed to be dangerous because it would unleash social unrest. [...] The authoritarian nature of the political regime is at the core of this fragility”.

Dani Rodrik in Project Syndicate über eine Welt mit China als Wirtschafts-Supermacht in deren Zentrum

Ja, wir müssen uns Gedanken machen, was der Aufstieg Chinas zu einer globalen Superpower bedeuten kann. In seinem Buch “When China Rules The World[Amazon] verneint der britische Autor und Journalist Martin Jacques die Möglichkeit, dass das Wirtschaftswachstum China näher an das Wertesystem der westlichen Demokratien bringen wird. China würde ein autoritäres, im Grunde undemokratisches und unindividualistisches Regime bleiben.

Und das ist der Punkt, der uns am meisten Sorgen machen soll. Bliebe es bei bloßer Wirtschaftsgröße, haben wir nicht sehr viel zu befürchten. Aber wie wird eine Welt aussehen, in deren Zentrum ein autoritärer Hegemon steht?

Wir müssen mehr als Futurologen sein, um diese Frage zu beantworten. Hier sind wohl hellseherische Fähigkeiten gefragt. Eines scheint jedoch klar: Die Wirtschaftsmacht des “Reichs der Mitte” wird ohne Frage wachsen. Eines nicht so fernen Tages werden die 1,3 Mrd. Chinesen die USA als die größte Volkswirtschaft der Erde ablösen.

Aber, so meine bescheidene Meinung, wird das mitnichten bedeuten, dass die Welt nun eine neue china-zentrische Weltordnung bekommen wird. Die Wirtschaftsleistung wird nicht ausreichen, um die Führungsrolle zu übernehmen. Hierzu bedarf es anderer “Führungsqualitäten”, eine von denen — dessen bin ich mir sicher — ist so etwas wie “ideelle Anziehungskraft”. Eine Autokratie kann solche nie ausstrahlen. Umso weniger, wenn neben ihr freie Gesellschaften existieren.

Zumal, und dafür steht das Zitat oben, China die aktuellen Wachstumsraten wird unmöglich halten können. Irgendwann wird die Dynamik nachlassen, und das ach so kraftstrotzende Konstrukt kann sich sehr wohl als fragil erweisen. Die Machthabenden in Peking scheinen dies instinktiv zu verstehen.

Gestern veröffentlichte ich einen Chart mit dem BIP-Wachstum Deutschlands in der Nachkriegszeit. Von 1950 bis 1960 betrug die Steigerungsrate hierzulande 8,2%. Wirtschaftswunder halt. Danach sinkt sie sukzessive: auf 4,4% zwischen 1960 und 1970, später gar auf knapp 3%. Andere Länder haben ähnliche Erfahrungen gemacht.

Mag sein, dass China länger und kräftiger wachsen wird als Deutschland nach 1945. Das Land ist groß, unterentwickelt, hat reichlich Potenzial. Die Chinesen können außerdem sofort die Technologie des 21. Jahrhunderts einführen — ein riesiger Produktivitätssprung von den fast mittelalterlichen Verhältnissen in so mancher Provinz. Doch das Wachstum wird mit der zunehmenden Größe (und Sättigung) der Wirtschaft abflachen. Dann wird man sehen müssen, wie die chinesische Gesellschaft mit größeren Krisen umgehen kann. Ich meine: mental und sozial, nicht wirtschaftlich. Dann wird sich zeigen, wie “attraktiv” das Land als Führungsmodell ist.

Denn: 1 Mrd. Menschen leben immer noch in entwickelten, demokratischen und reicheren Gesellschaften. Und noch viel, viel mehr werden weiterhin nach einem solchen Leben streben und nicht nach einer Autokratie chinesischer Prägung, ganz egal wie viel Bruttoinlandsprodukt irgendwo gemeldet wird. Deswegen — glaube ich — wird es erst gar nicht zu einer chinesischen Hegemonie (im eigentlichen Sinne des Wortes) kommen.

Wir werden Mandarin nicht lernen müssen. Wir werden auch nicht statt Vasco de Gama oder Christoph Kolumbus die Afrika-Reisen eines gewissen Zheng He studieren müssen (wie im oberen Artikel angedeutet). Wirtschaft ist nur ein kleiner Teil des Lebens.

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