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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Der hochverschuldete reiche Onkel…

12. Dezember, 2008 · 6 Kommentare

HutIch kritisiere häufig die einfache Übertragung von Gedanken und Verhaltensratschlägen von einem privaten Haushalt auf die Volkswirtschaft. Diese hinken gewöhnlich stark: Man kann die Finanzverhältnisse eines Angestellten eben nicht ohne weiteres mit denen eines Großunternehmens, geschweige denn mit denen eines Staates vergleichen.

Die Größe, die Diversifizierung, der Zugang zu Finanzierung etc. ändern sich entscheidend bei der Skalierung… Im Falle eines Staates sind “Kleinigkeiten” wie Notenpresse, Gesetzgebung etc. auch noch da.

Und doch möchte ich ein solches Beispiel geben. Sie entschuldigen mich…

Konkreter Anlass ist die (sehr schöne) Auflistung der Schuldenlage der USA im Blog Querschüsse. Zuletzt, im Zuge der Finanzkrise, ist die Verschuldung — bekanntlich — sprunghaft angestiegen. Und vorher… nun ja… waren die Amerikaner auch nicht gerade zimperlich, wenn es darum ging, auf Kredit zu finanzieren…

Es ist unmöglich, dass Ihnen die Klagen über die „exorbitanten“ Schulden der Vereinigten Staaten entgangen sind. Ãœberall werden sie beschworen und angemahnt. Und dann – die krasse Schwäche des Vergleichs wohl wissend – würde ich die Zahlen (aus dem oben verlinkten Beitrag) in folgendes Beispiel einfließen lassen:

Stellen Sie sich einen Mann vor, der 143.000 USD im Jahr verdient. Und dies ist ein sehr stabiles Einkommen, ohne weiteres kaum von (längeren) Rückgängen bedroht, auch nicht kündbar (ein Beamte oder so ;-) ).

Dieser gute Mann besitzt außerdem in etwa 565.000 USD an Vermögenswerten (Aktien, Anleihen, Immobilien — ein relativ reicher Onkel).

Und, oh ja, er hat Schulden: ca. 600.000 USD (alles mit gerechnet: Altersvorsorge, Hypotheken, Kreditschulden).

Wie steht er denn nun da?

Er hat – nehmen wir mal an – eine Zinslast von durchschnittlich 6% zu bedienen — ca. 36.000 USD im Jahr an Zinsen. Mit Tilgung lassen wir sie in etwa 43.000 USD werden (Tilgung bedeutet allerdings, dass sich seine Vermögenswerte auch wieder erhöhen…).

Ehrlich, ich würde nicht sagen, dass er vor dem finanziellen Kollaps steht.

Wie man sich denken kann, ist der Mann — ganz grob — die USA. Die Zahlen sind Milliarden USD mal 10; d.h. das Einkommen entspricht dem US-BIP (ca. 14.300 Mrd. USD); das Vermögen entspricht dem Nettovermögen der privaten Haushalte — ca. 56.000 Mrd. USD (also sogar exkl. Staatsvermögen, Unternehmensvermögen etc. — wobei so besser ist, wegen Doppelzählungen…); die Schulden sind wiederum in etwa die gesamten Schulden (Staat, Unternehmen, private Haushalte) in Höhe von ca. 60.000 Mrd. USD. Die Zinsen habe ich einfach geschätzt (aktuell liegt die Verzinsung der langfristigen US-Staatsschulden bei ca. 3 Prozent, US Investment Grade Anleihen rentieren bei ca. 7,5%).

Alle Angaben sind ganz grob und gerundet. Querschüsse (Link oben) hat die Quellen mit den genauen Zahlen immer angegeben.

Zu bedenken ist weiterhin, dass das Einkommen unseres Mannes stets leicht ansteigt; dass er immer weiter prolongieren kann (das Rentenalter tritt ja nie wirklich ein); dass er der beste Schuldner weit und breit ist; auch sehr gut bewaffnet; diplomatisch vernetzt; und dass er noch eine kleine Notenpresse in seinem Haus versteckt hat (Wert der Immobilie ca. 310.000 USD; davon bezahlt 190.000 USD, 130.000 USD bleiben an Hypotheken-Zahlungen aus).

Auch anders kann man rechnen: Die USA haben 60 Billionen Schulden und erwirtschaften 14 Billionen im Jahr. Macht 23%.

Nichts wird hier kollabieren… Notfalls ein bisschen Inflation und die Sache ist wieder im Lot (was wohl auch zu erwarten ist).

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt

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6 Kommentare bis jetzt ↓

  • egghat // 13. Dez, 2008

    Mit “ein bisschen” Inflation hat noch niemand noch nie das Problem gelöst. Das ist ja mal naiv! Es gibt in solchen Fällen immer richtig viel Inflation. Wir Deutschen machen das besonders gründlich und nennen das Währungsreform. Die Amis nennen den Dollar vorher Dollar und nachher Dollar, nur ist das “nachher-Dollar” nix mehr wert.

    Das würde ich nicht so verniedlichen … Das kostet ein paar Millionen Menschen die Altersvorsorge!

  • Horst // 13. Dez, 2008

    Naja ich würde als Einkommen, die Steuereinnahmen nehmen und nicht das BIP. Das BIP könnte man nehmen, wenn man die Verschuldung aller Menschen in den USA zusammenrechnen würde.

  • Saviano // 13. Dez, 2008

    Und genau das habe ich oben versucht: BIP vs. Gesamtverschuldung (Staat, Unternehmen, private Haushalte).

    Wenn der Staat ein Defizit hat, ist es offensichtlich, dass seine laufenden Einnahmen (nicht nur Steuern) unter den laufenden Ausgaben liegen…

    Grundsätzlicher Gedanke: Wenn man Kredit (bzw. Schulden) zu einem niedrigeren Zins aufnehmen kann verglichen mit der Rendite, die man mit dem Kapital erwirtschaften kann, ist eine Verschuldung vorteilhaft.

    Unser Onkel hat – sagen wir – eine kleine Firma — geschätzter Wert: 500.000 USD. Damit erwirtschaftet er sich ein Einkommen von 50.000 USD im Jahr. Wenn er weitere 500.000 USD an Kredit zu 6% aufnehmen und gleichzeitig die Rentabilität von 10% konstant halten könnte, lohnt sich das.

    Im “Kleinen” ist das individuelle Risiko (selbst bei großen Unternehmen) natürlich hoch (dass etwas in Zukunft schiefgehen kann), bei einer ganzen Volkswirtschaft hingegen ist das Risiko ungemein niedriger.

    Die Verschuldung Amerikas ist keineswegs klein, aber unter Umständen noch “profitabel”. Und gerade auf diese Profitabilität zielten die Worte “ein bisschen Inflation”. Ich habe nicht gemeint, dass eine “Enteignung” per Hyperinflation eintreten wird. Die ohnehin nicht unrentable US-Verschuldung wird auch bei 3-5% Inflation ausreichend “entlastet”.

    Ob dies jetzt ein Fall für die “Währungsreform” bzw. “richtig viel Inflation” ist? Ich bezweifle es.

  • Wie geht es im nächsten Jahr weiter mit dem Dollar? | Spekulantenblog // 17. Dez, 2008

    [...] bricht man ihn näher herunter auf eine dem normalen Kreditgeschäft üblichen größen, so wirkt die aktuelle Schuldenlast Amerikas weniger bedrohlich. Dabei wurde das komplette Amerika Privat-, Firmen- und Staatseinkommen, -vermögen und -schulden [...]

  • Analytics // 4. Apr, 2009

    Ahm, der Vergleich hinkt, wenn der Onkel – sagen wir einfach – 20 Söldner überall auf der Welt unterhalten muss, andere Onkel ihm ans Leder wollen, er dabei ist 2 Moscheen gegen den willen zumindest der Betreiber in Nachtclubs zu verwandeln und seine Verschuldung durch weitere Kredite die er aufnahm in den nächsten 10 Jahren vervierfacht wird. Er hat ausserdem 40 tiefverschuldete Kinder, denen er garantierte Gesundheitsversogung und vollbezahlte Bildung versprochen hat. 37 davon bekommen auch noch Essenscoupons die er decken muss. Dieser Onkel lässt seine Geld-Presse heiß laufen. Er druckt Papier, welches durchs nichts gedeckt ist.
    Da wären auch noch Honorare für Wissenschaftler die für seine Privatarmee Stealthbomber und Laserwaffen entwickeln.

    Jetzt mal Klartext: GM ist Geschichte, Chrysler am Rande des Bankrotts, 3 der 5 ältesten Investmentbanken schrott, AIG verstaatlicht etc etc
    Jeder Amerikaner ist statistisch betrachtet mit – soweit ich weiß – 30.000 Dollar in der Kreide. 8,5% Arbeitslosigkeit. Chinesische Investoren die nervös werden, eine Weltrezension. Plus die Aufwendungen die Oben von mir aufgezählt werden. Dabei sind Interne Probleme wie die immer brachialer werdende Pöbelherrschaft, die illegale Einwanderung von inzwischen mehreren 10 Millionen Menschen gar nicht aufgeführt. Ich mag zwar schwarzmalerisch erscheinen, aber Größen wie Celente oder Faber sind beileibe keine auf Nostradamus schwörenden Akte X-Fans. Die Namen ließen sich fortführen. Krugmann, Stiglitz etc.
    Es ist auch irgendwo eine Sinnkrise – eine Dauerkrise wohlgemerkt die gut und gerne 20 Jahre andauert. Nichtsdesto trotz, Falludja oder Mogadiscu haben nicht unbediengt zu Selbstvertrauen geführt. Wenn Wirtschaft Psychologie ist – und das ist sie alle mal, dann ist das Problem größer als angenommen.

  • Wann sind Schulden zu hoch? • Börsennotizbuch // 23. Sep, 2009

    [...] vor einiger Zeit habe ich trotzdem — spaßeshalber — die USA mit einem reichen Onkel verglichen (und darauf wollte ich jetzt hinweisen, [...]

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