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Die EZB-Zinserhöhung: Nur Signalwirkung?

9. Juli, 2008 ·

EZB

Die Zinserhöhung der EZB letzte Woche kam mit Ansage und konnte bereits im Vorfeld gut diskutiert werden. Aus den Kommentaren kristallisiert sich für mich die Meinung heraus, die EZB habe diesen Schritt etwas unentschlossen, nicht wirklich ökonomisch argumentiert und/oder teilweise aufgrund der deutlichen Portion politischer Wirkung gemacht. Nach dem Schritt ist die Erwartung des Marktes entsprechend weitestgehend “Es wird bei diesem einen Schritt bleiben”.

Warum “unentschlossen”, “nicht wirklich argumentiert” und “politisch”?

Wie auch Lucas Zeise bei der FTD schreibt, erschien Jean-Claude Trichet nicht gerade “falkisch”:

Als die Leitzinserhöhung am Donnerstag schließlich verkündet wurde, wirkte sie kleinlaut. Zwar smart wie immer, machte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet dennoch einen unsicheren Eindruck. Sein „We have no bias“ musste man ihm deshalb einfach abnehmen. Es besteht – zurzeit – keine Absicht des Zentralbankrats, diesem Zinsschritt weitere folgen zu lassen.

Die fehlende Entschlossenheit der Notenbank, die Zinsen weiter anzuheben, zeigt, dass sie schon für diese Leitzinserhöhung keine Argumente hatte. Die Kräfte, die für den Anstieg der Verbraucherpreise um vier Prozent verantwortlich sind, werden nicht durch eine Serie von Leitzinserhöhungen in Euroland und noch weniger durch eine einmalige, bescheidene Zinsanhebung berührt. Entscheidend ist ein globaler Boom, der sich nun aber in seiner Endphase befindet. Die deflationären Effekte der Verlagerung von Produktion in Billigstandorte laufen aus. Die Nachfrage nach Rohstoffen ist noch nicht gebremst. Zwar hat der Abschwung in einer Reihe von Industrieländern (USA, Großbritannien, Spanien) bereits begonnen. Die negative Wirkung auf den Welthandel und die Exporte vieler anderer Industrie- und Schwellenländer zeichnet sich gerade erst ab.

Den Artikel kann ich weiterempfehlen.

Es ist wohl relativ klar, dass die Teuerung in der Eurozone (wie im Grunde überall auf der Welt) durch die gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreise zustande kommt. Des weiteren ist die sich nicht nur abzeichnende, sondern bereits jetzt durch harte Fakten (vor allem in den USA, aber auch in Europa) nachweisbare Abkühlung der Weltkonjunktur eine sehr greifbare Angelegenheit. Die Notenbanker wissen dies, und sie wissen (vermutlich), dass der kleine Zinsschritt außer eine politische Wirkung und Signal, die kletternden Ölpreise kaum aufhalten wird und die Wirtschaft kaum auf die kommende Abkühlung vorbereitet.

Nun, die Inflationsrate ist aber hoch (wobei die Kerninflation genau in der “Komfortzone” liegt), die Verbraucher haben die Inflation sehr deutlich gemerkt und gespürt, die Politik spielt laut den Besorgten. So entschied sich die EZB, Signale zu senden, und zwar am deutlichsten in Richtung Gewerkschaften, um die sog. Zweitrundeneffekte höherer Löhne zu vermeiden. Schlimm ist das nicht, obwohl – ehrlich gesagt – man insgesamt nicht gerade viel von hohen Lohnforderungen gesehen hat. Eeigentlich verbleiben die Lohnzuwächse abermalig unter der Inflationsrate. Von viel Macht auf der Arbeitnehmerseite ist wenig zu spüren, zumal die ersten europäischen Märkte (wie UK und Spanien) deutlich verlangsamen. In Deutschland ist der Arbeitsmarkt noch in sehr guter Form, verliert aber scheinbar etwas an Tempo, und zudem waren/sind gerade hier die Produktivitätssteigerungen noch recht ansehnlich.

Die Zweitrunden-Geschichte kann einfach eine berechtigte, aber überzogene Sorge gewesen sein…

Vielleicht kann man dann doch etwas Gutes der Zinserhöhung abgewinnen, wenn man die Signalwirkung an die Rohstoffmärkte berücksichtigt. Sollte es dort zu viel heiße, spekulative Luft geben, reichen unter Umständen auch Worte (bzw. kleine Handlungen), um die Lawine loszutreten. Ich weiß, dass diese Erwartungshaltung im Grunde selbst zu spekulativ ist, aber…

Wie auch immer — die EZB hat den Schritt unternommen, wir müssen ihn berücksichtigen und damit leben. Dem Euro dürfte es “helfen”… Den Aktien eher nicht.

Zum Schluss aber wollte ich noch mein spontanes Gedanke beim Durchlesen des obigen Artikels von Lucas Zeise wiedergeben:

Als er schreibt “Die deflationären Effekte der Verlagerung von Produktion in Billigstandorte laufen aus” hat Zeise sicherlich kurzfristig Recht — wir sind vielerorts Zeugen einer Kapazitätsverknappung bzw. hohe Kapazitätsauslastung, die sich letztendlich in Preissteigerungen manifestiert. Doch mittelfristig spricht meiner Ansicht nach nichts gegen ein Fortbestehen der Globalisierungseffekte. Die Produktivitätssteigerungen sind bei weitem nicht ausgereizt, die massive und erfolgreiche Beteiligung von Millionen und Milliarden Menschen am wirtschaftlichen und technischen Fortschritt wird weitergehen. Nach einer (kleinen) Pause.

Kategorien: Frontpage · Inflation · Zinsen

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