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Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Ponzi-Schemes

15. Dezember, 2008 · 1 Kommentar

In den letzten Tagen lesen wir häufiger vom sog. “Ponzi scheme”. Woher kommt der Ausdruck?

Charles Ponzi (* 3. März 1882 in Parma, Italien als Carlo Pietro Giovanni Guglielmo Tebaldo Ponzi; † 18. Januar 1949 in Rio de Janeiro, Brasilien) war ein italienischer Immigrant in den USA und einer der größten Schwindler und Betrüger der amerikanischen Geschichte. Obwohl fast niemand vom Namen Charles Ponzi gehört hat, ist im englischen Sprachraum das Wort „Ponzi scheme“ (deutsch etwa: „Ponzi-Trick“) ein gebräuchlicher Begriff für Schneeballsysteme und Pyramidenspiele.

Charles Ponzis „Ruhm“ als Betrüger ist noch heute nicht verblasst – Kunden, die nach heutigem Geldwert 150 Millionen Dollar angelegt hatten[1], wurden um ihr Vermögen geprellt. Für eine Einzelperson, die ein Schneeballsystem organisierte, ist dies noch heute ein beträchtlicher Betrag.

Wikipedia, Charles Ponzi

150 Mio. Dollar (heutiger Wert) sind bestimmt kein Taschengeld, aber verglichen mit den 50 Milliarden USD, die ein gewisser Bernard Madoff veruntreut haben soll, erscheinen sie als die berühmten “Peanuts”.

Leute, 50 Milliarden Dollar! Das ist ein komplettes (deutsches) Konjunkturpaket! Oder so…

Jetzt können wir jeden Tag Meldungen mit weiteren Opfern erwarten. Wenn man bedenkt, dass unter den Geldgebern von Mr Madoff viele institutionelle Anleger, Banken und Hedge Fonds vertreten waren, die ohnehin unter Druck stehen, müsste sich dieser Betrug auch an den Börsen auswirken… Die zeigen sich allerdings nicht erschrocken… Zeichen von Stärke?… Oder stöbern die Banken noch in ihren Unterlagen?…

In diesem Zusammenhang wollte ich wieder Wikipedia konsultieren und die Zahlen von LTCM erfrischen. Der Long-Term Capital Management Fonds verursachte damals (1998) hohe Verluste, die das Finanzsystem derart bedrohten, dass sich die Fed gezwungen sah einzuschreiten (Bailout). Die Strategie war hier — vermute ich — nicht betrügerisch an sich: Die Nobelpreisträger haben es ernst und ehrlich gemeint, nur leider sind ihre Modelle in einem Moment grandios gescheitert:

Die LTCM hatte Anfang 1998 rund 4 Mrd. USD Eigenkapital, während ein Portfolio für 125 Mrd. USD als Leerverkauf dem gegenüberstand. Die Wertpapiere waren Sicherheiten, um noch mehr Fremdkapital zu leihen, damit für Derivate, die auf dem Wert des britischen Pfunds basierten, Obligations- und Optionsgeschäfte eingegangen werden konnten. Die Wertpapiere umfassten russische und amerikanische Schatzbriefe sowie dänische Grundstückshypotheken. Die Derivate erreichten am Ende einen Wert von 1,25 Billionen USD (in heutiger Kaufkraft 1,59 Billionen USD).

Wikipedia, LTCM

Ok, das waren viel größere Dimensionen…

Update:

Ich wollte noch einige Links hinzufügen:

Der Ausmaß des Betrugs ist natürlich furchterregend, aber um den ruhigen Schlaf werden wir erst recht beraubt, wenn wir uns die Liste der Opfer anschauen — Banco Santander, HSBC, diverse Schweizer Privatbanken, um nur einige zu nennen… Allesamt waren die Kunden – wie sie sich gern bezeichnen – “highly sophisticated investors”. Jedoch konnten sie einen Ponzi-Trick nicht durchschauen: Das Phänomen Madoff (Zeitenwende.ch).

Dabei waren die regelmäßigen, wenig volatilen Zahlungen von Madoff bereits einige Zeit verdächtig:

The key here is not looking just at how well Madoff seemed to perform. It’s how consistently he seemed to be doing it. Stories in both the New York Times and the Wall Street Journal both noted the pattern. According to the stories, he seemed to make a return of 10 percent or 11 percent a year, year in and year out. And it wasn’t just an annual return kind of thing. Almost every month, the WSJ story says, Madoff made somewhere between 0 percent and 2 percent. Hardly any losses, no really outsize gains.

Professional investors are taught to value steady returns—it implies that managers aren’t taking excessive risks. The latest research on hedge funds, however, reveals that overly smooth returns may not indicate that the risks are small, but that they are hidden.

The key concept here, developed by MIT professor and noted hedge-fund theorist Andrew Lo, is “serial correlation.” Simply put, serial correlation is the degree to which each month’s returns in a fund mirror the results of the month before. A fund that returns the exact same amount every month is perfectly serially correlated. Madoff’s returns were strikingly consistent month after month, year in and year out. That kind of performance—a nice, smooth line going up no matter what the market does—is a really good sign that you should look more closely.

The Big Money / Slate, The Madoff Dilemma. How Can You Spot A Wall Street Crook?

Dass die Performance von Madoff “too good to be true” ist, war bereits 2001 ein Diskussionsthema…

Trotzdem, wie wir erfahren, hat Madoff stets täuschend echte Reportings an seine Investoren geliefert. DealBook (New York Times) verfolgt die Geschichte eng.

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